Der Tag, an dem der Wald verschwand

Es war ein normaler Tag. Zumindest so, dass es sich für uns damals wie 'normal' anfühlte. Wir hatten uns zum Spazierengehen verabredet. Ich kam zu spät, doch als ich ankam, war von ihm keine Spur. Nicht allzu ungewöhnlich. Aber als er auch kurz später nicht auftauchte, kramte ich mein Handy aus meiner Tasche. Auch da keine Nachricht.

Ein Knacken im Unterholz, und ein Ruf. Da war er, er hatte etwas entdeckt.

Wir joggten gemeinsam durch die Wälder. Ich weiß noch, wie mir durch den Kopf ging, das alles - für Sommer - seltsam braun und ausgedörrt aussah. Doch ich dachte nicht weiter darüber nach.

Wir rannten und rannten. Er hatte eine ziemlich coole Stelle an einem Bach ausgemacht. Eine Höhle, in der es schön kühl war. Wir ließen uns nieder und redeten eine lange Zeit.

Im Nachhinein wusste ich dann auch, das gerade das die Zeit war, in der solche Vorfälle immer weiter nach Norden krochen. Wie auch nicht, es wurde ja schließlich alles immer extremer.

Nicht allzu viel später wurde ich wach. Die Luft roch nach Rauch. Verwundert reckte und streckte ich mich. Ich ging langsam aus unserer Zuflucht, direkt in Richtung der Rauchschwaden. Doch die wurden schnell so stark, dass das kein Grillen mehr sein konnte. Ich zögerte nicht lange und weckte ihn. Er hatte Zweifel, doch wollte es dann doch versuchen. Wir packten unsere Jacken, füllten sie voll Wasser, und gingen so schnell wie möglich in Richtung Brand. Doch er war größer als gedacht.

Auch mehrere Male löschen halfen nichts. Das gerade noch 'fast beherrschbare' Feuer wurde schnell größer und größer. Uns lief die Zeit davon.

Dann ging auf einmal sehr schnell. Der Himmel verdunkelte sich und ein starker Wind kam auf. Er trieb den Brand direkt in unsere Richtung. Er war so start, dass überall brennendes Holz durch die Luft flog. Wir hetzten zurück zum Bach. Einem glühenden Holzstück ausweichend stolperte er, fing sich, und fiel doch. Ich half ihm hoch, er humpelte weiter. In der Hoffnung, den Flammen zu entkommen, kamen wir am Bach an - doch auch auf der anderen Seite hatte sich das Feuer ausgebreitet. Die Luft war schon deutlich schlechte zu atmen, und mittlerweile wurde es ziemlich heiß. In alle Richtungen sieht es schlecht aus, also waten wir durch das Bachbett. Eine schiere Ewigkeit vergeht, doch wir kommen voran. Endlich wird die Luft wieder besser. Wir stolpern aus dem Wald, bemerken unsere Brandblasen, und kippen um.

Hätten wir es verhindern können, wenn wir nur früher aufgewacht wären?

Im Nachhinein erinnerte ich mich auch wieder an die Nachrichten, dass "Wetterphänomene extremer werden würden", oder dass immer größere Waldbrände weiter in unserer Nähe stattfanden. Doch das half mir, erstaunlicherweise, wenig. Unser Wald, so viele Orte unserer Kindheit, war verschwunden. Geworden zu nichts als verkohltem Holz und verbrannter Erde.

Das Einzige, was noch geblieben ist, ist der Bach, der uns gerettet hat.

Hier sitze ich nun, viele Jahre später. Wie auch ich ist das Leben mittlerweile zurückgekehrt. Doch irgendwie fühlt es sich immer noch irritierend an, wieder hier zu sein. Die großen Eichen fehlen, und auch ansonsten ist es doch ein anderer Wald als der, der uns vor diesen vielen Jahren verlassen hat.

Ein weniger berührter, vollerer Wald. Und doch auch irgendwie künstlich. Wer weiß, vielleicht muss ich ihm erst einmal seine Zeit geben.